„Das Bonbon vor der Prüfung“



geschrieben von Oliver Weichert

Es ist Dienstag. Am Tag zuvor habe ich den Termin für meine A-Schein-Prüfung vereinbart, Theorie und Praxis an einem Tag – ich bin doch schon etwas nervös, denke aber dass ich ordentlich gelernt habe. Die Wetterfrösche haben für heute, Dienstag, hohe Temperaturen, starke Termik, leichten Südwind und eine hohe Bodeninversion bis um die Mittagszeit vorhergesagt. Also beschließe ich diesen Tag noch für ein paar letzte Flüge vor der Prüfung zu nutzen, zumindest so lange es die Bedingungen für Schüler zulassen.

Bereits um 10 Uhr im Gelände auf dem Flugplatz Montabaur legen wir los. „Denke gar nicht erst
daran, für den Prüfungsflug zu üben, sonst geht es morgen eh schief“ meint Peter direkt. Ich solle einfach ein bisschen fliegen und Spaß haben – gar nicht an die Prüfung denken. Gesagt, getan – also einfach so ein paar Platzrunden. Vielleicht kann ich bei der einsetzenden Thermik ja probieren, nicht nach fünf Minuten wieder unten zu stehen. Erster Flug rechtsrum – meistens trägt es über der Waldkante ein wenig – leider zu wenig um oben zu bleiben. Zweiter Flug linksrum, da kreist gerade ein Greifvogel. Ich schaffe es, ein paar Kreise über der Wiese zu bleiben, da ist die Blase auch schon wieder weg. Dritter Flug - ein Bart mitten auf der Schleppstrecke! Über Funk meint Peter ich solle mich nicht durchschleppen lassen, sondern die Chance nutzen – also Beinzeichen geben, ausklinken, zurück und dann – geht es doch wieder nur runter.

Inzwischen war es zwölf Uhr und ich habe meine Kappe für den vierten Flug ausgelegt als auf einmal Axel und Karl-Heinz den Einstieg finden. „Es tut mir wirklich leid, aber für dich ist wohl jetzt erst einmal Pause“ meinte Peter – zu thermisch für Schüler. Ich packe zusammen und sehe Peter bei zwei Tandemflügen und den zwei „Mittagsfliegern“ beim Kreisen zu.

Gegen 14 Uhr hat sich die Thermik wieder etwas gelegt, es scheint wieder ruhiger zu sein, alle Freiflieger kommen recht schnell wieder auf den Boden zurück. Ich darf es doch noch einmal versuchen und lege meinen Schirm erneut aus. „Staaaaart“ – und mitten in der Schleppstrecke geht es auf einmal hoch. Ich lasse mich trotzdem bis zum Ende schleppen und freue mich über eine wunderbare Ausklinkhöhe – das wird mir ein kleines bisschen mehr Zeit geben bis ich wieder auf dem Boden stehe. Ich entscheide ich mich dafür, wieder rechts herum die Waldkante abzufliegen, es sinkt langsam aber konstant.

Dann aber erwische ich an der Stelle an der ich die Positionskreise fliegen möchte wohl den „Hausbart“. Es rumpelt ein wenig mehr – hui, ein bisschen mehr als in den Schulungsflügen – und auf einmal geht es hoch. Also gut, was hat Peter gesagt? Ein wenig geradeaus und wenn es am besten hoch geht eindrehen. Also links rum und es scheint zu passen – mal sehen wie lange Peter mich lässt bevor das Kommando kommt „sooo, wir machen jetzt mal ein kleines Manöver – flieg da mal weg und leg die Ohren an“. Stattdessen höre ich auf einmal „Super – hör einfach mal auf deinen Bauch und mach weiter so“. Na dann – mein Bauchgefühl liegt scheinbar richtig und ich komme immer weiter nach oben. „Die Wolke über Dir, da geht es hoch“. Wow, was für eine Aussicht, ich habe mit Sicherheit mehr als die doppelte Höhe aufgedreht – ich kann weiter als jemals zuvor sehen und sehe Stellen, die bei den anderen Flügen noch durch die Landschaft verdeckt wurden.

Auf einmal kommt dann doch über Funk: „so, ich glaube das reicht jetzt mal, du musst den Bart ja nicht komplett auskurbeln“. Doch an Stelle des Kommandos für ein Schnellabstiegsmanöver mit dem ich eigentlich gerechtet hatte kam jetzt etwas ganz Anderes. „Du bist so schön hoch, geh doch mal ein bisschen auf die Reise – flieg mal Richtung Montabaur, zu der kleinen Wolke links davon“. Dann würde ich auch direkt einmal sehen wie weit die Wolken so auseinanderliegen und könne dort vielleicht wieder aufdrehen. Ich mache mich also auf den Weg in Richtung Nord-West. Ich sehe das Schwimmbad unter mir und habe kurz darauf die Wolke erreicht. Knapp anderthalb Kilometer bin ich wohl geflogen wie ich später auf der Karte nachmesse, an der Wolke kann ich noch ein wenig Höhe gewinnen.

„Dann flieg jetzt mal weiter Richtung Schloss, dann hast du ja schon dein erstes kleines Dreieck geflogen“ höre ich Peter sagen. Ich mache mich also auf den Weg. „Denk aber daran dass du Gegenwind hast, wenn du von dort wieder zurück musst, also nicht ganz so weit weg“. Also halte ich mich eher etwas nach rechts um schneller wieder zum Landeplatz zurückkehren zu können. Jetzt fliege ich über die Häuser von Montabaur. Die Straßen, das Schloss von schräg oben – ein wahnsinnig toller Anblick. Ein wenig mulmig wird mir hier aber schon – auf einmal ist keine Wiese oder ein Feld mehr unter mir, nur Beton und Asphalt – schon ein sonderbares Gefühl. Fast bis über den großen Schirm in der Fußgängerzone fliege ich noch, dann drehe ich ein für den Rückweg. Die Höhe reicht gut bis zurück zum Flugplatz, ich kann noch einige Kreise drehen bevor ich zur Landung ansetze.

Wahnsinn – was für ein Erlebnis, und das vor dem Prüfungsflug. Überwältigt von den Eindrücken und glücklich, packe ich meine Sachen An diesen Tag werde ich noch lange denken. Auch die Prüfung an dem darauf folgenden Mittwoch war erfolgreich, so dass ich mich jetzt auch bei den „Mittagsfliegern“ einreihen darf.

Mir bleibt eigentlich nur eines zu sagen: Danke Peter, für dieses tolle und einmalige Erlebnis. Für alle die tollen Eindrücke und Erinnerungen während der Schulung und danke für deine super Ausbildung!

Euer Oliver  

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